Gedankenspiel

Gedankenspiel

Rede anlässlich der Ausstellung:

GEDANKENSPIEL

Bilder, Zeichnungen und Objekte • Cornelia Gutsche | Manfred Fuchs

am Sonntag, den 16. September 2012, Galerie ABAKUS Berlin.

Liebe Kunstfreunde, liebe Gäste,

ich heiße Sie sehr herzlich willkommen zur Vernissage der Doppelausstellung „Gedankenspiel“ mit Arbeiten von Cornelia Gutsche und Manfred Fuchs hier in der Galerie ABAKUS.

Cornelia Gutsche arbeitet als Zeichnerin, Malerin, Keramikerin und Performance-Künstlerin.

Ihrem Studium an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee folgten Studienreisen nach Japan sowie Ausstellungen in Tokio, Berlin, Darmstadt, Kiel, Fulda oder Meinigen.

Auch Manfred Fuchs stellte vielfach im In- und Ausland aus, darunter in New York, Krakau, Solothurn sowie in Hamburg, Düsseldorf, Dessau, in Darmstadt und Berlin.

Manfred Fuchs vereint in seinen Bildern die Klarheit eines Ingenieurs mit den Gedankensprüngen eines Künstlers, denn er studierte zunächst Umwelttechnik an der Technischen Universität und anschließend Malerei an der Hochschule der Künste in Berlin.

Der Titel „Gedankenspiel“ benennt die Position der beiden zur Kunst.

Kunst als Spiel aufzufassen verbindet Cornelia Gutsche und Manfred Fuchs, wobei sich dahinter die Ernsthaftigkeit verbirgt, dass Kunst dem Leben und der Gesellschaft verpflichtet sei.

Neben der Freude am gemeinsamen Malen im Atelier, mitunter sogar an ein und demselben Bild, dem gemeinsamen Ausstellen, verbindet sie auch die Leichtigkeit ihres Duktus und eine Transparenz in ihren Blättern. Verschränkungen und Überlagerungen verschiedener Ebenen im Bild sind bei Gutsche ebenso wie bei Fuchs zu sehen. Doch thematisch unterscheiden sie sich.

In den Papierarbeiten von Cornelia Gutsche wird das Leben als Daseinsform mit Unschärfe gedeutet. Es gibt keinen eindeutigen Anfang und kein eindeutiges Ende. Kurze Geschichten fließen ein in sich überlappende Szenen des Ungewissen mit menschlichen Figuren, Tieren und Pflanzen. Aufflackernde Gedanken erscheinen in ihren Bildern wie flüchtige Chiffren. Der Mensch, durch seine Herkunft, Umgebung und Geschichte, geprägt, kann nicht unbeeinflusst wahrnehmen. So wie sich uns Erinnerungsbilder in unsere alltägliche Wahrnehmung mischen und dann wieder verschwinden, so sind in den Blättern der Künstlerin Gedankenfragmente materialisiert, mitunter nur der Hauch einer Gestalt, der sogleich wieder entgleiten will. Unbewusstes im Hintergrund nimmt Gestalt an, beeinflusst, lässt Vergangenes und Gegenwärtiges ineinandergreifen. Alles scheint im Fluss.

Das Leichte und die Transparenz ihrer Blätter finden sich auch in ihren Schiffen, bestehend aus Tonplatten, archaisch anmutend mit ornamentalen Verzierungen und zartem Kolorit, der die Farbe des Tones nicht komplett überzieht. In den Ton geritzt erkennt man Figuren und Gesichter, manchmal in Gruppen zusammengehörig, geborgen und eins mit dem Schiff, manchmal aus dem Schiffskörper herausgehoben.

Die Schiffe symbolisieren Lebenswege. Jeder kommt in ein Schiff, in dem er seinen Weg beschreitet. Das Leben wird als Überfahrt begriffen, was mitschwingt ist der Einfluss der Ahnen, die Sippe, in die der Mensch hineingeboren wird und die ihn prägt, begleitet von Mustern und Vorgaben. Gerät das Schiff aus dem Ruder, muss es wieder auf Kurs gebracht werden. So stemmt sich der Mensch als tragender Mast den Gefahren entgegen.

Das „Lebensschiff“ als Metapher kommt bereits lange vor der biblischen Geschichte Noahs in dem um 1200 vor Christus entstandenen Gilgamesch-Epos vor und lässt sich von der Antike bis in die Moderne beobachten.

Dem Betrachter werden die Bildwelten in Gutsches‘ Schiffen nicht einfach erzählt. Erst nimmt man nur die äußeren Formen wahr, die Farbharmonien der verschiedenen Engoben und Glasuren, die die Künstlerin in mehreren Brenngängen entstehen ließ. Nähert man sich den Objekten, offenbaren sich kleine Welten in delikater Zeichnung, ein Erspüren der Verbundenheit des Schiffs zu seinen Passagieren.

Auch bei Manfred Fuchs tauchen Schiffe auf. Diese haben jedoch eine ganz konkrete Funktion. Sie ernten und transportieren eine utopische Frucht. Ich nenne sie die „Fuchssche Rübe“. Die Rübenfrucht ist ein Energiespeicher und wird zum Symbol für den Stoffkreislauf unserer Welt. Sie steht für Ressourcenschonung und das Nachdenken, wie wir unsere Umwelt behandeln. Spielerisch mit Witz und Ironie erfindet der Künstler Maschinen und Maschinchen, Geräte und Verarbeitungsanlagen, um seine Rüben als Reserveorgane zu hegen und pflegen.

Das Wasser in seinen Blättern wird häufig in regelmäßigen Wellenzügen dargestellt, Flussmündungen ins Meer durch abrupten Bruch der Fläche markiert. Die neue Zone gestaltet sich in Form riesiger Wellen, doch werden auch diese in ein Gleichmaß gezwungen. Seit je her bildete das Meer eine natürliche Begrenzung des menschlichen Lebensraums. Eine charakteristische Eigenschaft des Menschen ist das Bestreben, den Naturgewalten mit technischen Mitteln zu trotzen und sie durch Ordnung und Regelungen zu bezwingen. So hat der Mensch die Natur nicht nur gebändigt, sondern auch verletzt und vielfach zerstört.

Wie der verwundete Planet nun Gesundung erfahren könnte ist dem Künstler und Ingenieur Manfred Fuchs ein besonderes Anliegen. Seine spielerische Fantasie erdenkt immer neue Konstruktionen zur Verarbeitung seiner besonderen Pflanze. Ein Werk im vorderen Raum links des Eingangs demonstriert uns die Funktion einer Rührmaschine, die die Rüben wässert und in einen neuen Aggregatzustand verwandelt. Das Irdische scheint langsam ätherisch zu werden. Das Werk besteht aus sechs Platten und Fuchs spielt mit der Perspektive, wobei er drei verschiedene Ansichten verwendet. Der untere Bereich zeigt einen Schnitt durch das Wasserbecken, in dem die Rüben schwimmen. Eine Aufsicht ist in der Mitte gegeben und die Froschperspektive finden wir im oberen Bereich der Arbeit. Der Blick fällt von unten auf das Antriebsrad des Rübenrührers. Zusätzlich ist ein Wald mit Baumreihen sowie Skizzen und Vorstudien zu entdecken, die an Ideenentwürfe und Konstruktionszeichnungen eines Ingenieurs erinnern, doch im Medium der Malerei zu einer Einheit kommen.

Manfred Fuchs formuliert in seinen Bildern Zukunftsvisionen, die Anregungen liefern, Neues zu erfinden und alte Denkmuster zu verlassen. Dabei erfreut ihn der spielerische Ansatz zu tüfteln, aus dem Realen ins Absurde zu übersteigern, im Wasser wachsende Seerüben mit Ernteboten aufsammeln und auf Frachtschiffen verladen zu lassen sowie übergroße Rübenskulpturen auf realen Gewässern schwimmen zu lassen, wie er es etwa im Umweltbundesamt Dessau getan hat. Auch der Besucher der Galerie ABAKUS wird von einer Fuchsschen Rübe am Eingang empfangen und ein zweites Exemplar begrüßt Sie an der Pforte zum Ausstellungsraum von Cornelia Gutsche.

Somit möchte ich Sie einladen, die Gedankenspiele von Cornelia Gutsche und Manfred Fuchs in ihren Visualisierungen zu ergründen.

Herzlichen Dank

© Sept. 2012 Doris Knöfel

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